Was bei dem Begriff Budogeist schnell auffällt ist dass es kein vergleich bares Wort in anderen Sportarten gibt man mag vielleicht mal von Sportsgeist sprechen aber nicht von Tischtennisgeist Turngeist oder Schwimmgeist Diese Facette des Budo ist offenbar etwas Besonderes und Markus findet dafür deutliche Worte Ich denke der Budogeist ist das womöglich entscheidende wich tigste Element welches uns von allen anderen Sportarten unter scheidet Wir brauchen den Budogeist im Verband und im Dojo sowie individuell bei den Budoka nicht nur sondern er ist unab dingbar er ist die Essenz des Budo ansonsten würde uns nichts mehr von anderen Einzel oder Mannschaftssportarten unterschei den die sicherlich auch von edlen Werten geprägt sein können aber eben nicht von jenem Budogeist Es gibt also Werte die Budoka klar von anderen unterscheiden und un tereinander verbinden Gleichzeitig hat jeder Budoka individuelle Mög lichkeiten diese Werte zu leben und eigene Schwerpunkte zu setzen Thomas sieht vier Grundtypen ohne Anspruch auf Vollständigkeit 1 Der Formalhengst Definiert den Budogeist meist über den Sitz des Gis die erworbenen Urkunden und Graduierungen aber auch technische Fähigkeiten und Kata die natürlich genau nach Lehr buch ausgeführt und geübt werden müssen Das Erscheinungs bild muss immer perfekt und die Dojoetikette verinnerlicht sein Seine Kampfkunst ist meist traditionell 2 Der Wettkämpfer Sieht den Budogeist meist ausschließlich in der Teilnahme an Wettkämpfen Wer sich keinem Wettkampf stellt hat keinen Budo Spirit Schulen und Verbände die keine Wett kämpfe austragen betitelt man gerne als McDojo Wenn der Wettkämpfer in die Jahre kommt konzentriert er sich darauf seine Schüler auf Wettkämpfe vorzubereiten und definiert sich über de ren Erfolge 3 Der Esoteriker Definiert Budogeist über die asiatischen Philo sophien Er bevorzugt Sportarten wie Aikido oder Tai Chi in de nen die Vervollkommnung des Charakters im Vordergrund steht Er verfolgt einen pazifistischen Ansatz und sieht Kämpfen nie als Problemlösung sondern nur als allerletzten Ausweg 4 Der SV Junkie Konzentriert sich allein auf die Wirksamkeit seiner Kampfkunst im Ernstfall Für ihn zählt nur das Element der ef fektiven Verteidigung Dieser Typ betreibt meist Systeme wie Krav Maga oder ATK SV Er trainiert nur Techniken die einen unmittelba ren Nutzen für die SV haben Ich selbst würde mich in die Kategorie 3 4 einordnen Für mich persönlich steht der Selbstverteidigungsaspekt im Vordergrund aber mich interessiert auch die Philosophie und die Tradition der Kampfkünste allgemein Wettkämpfe und Graduierungen dagegen weniger Das Kunststück scheint demnach darin zu bestehen ein passendes Set von Werten für sich zu finden und zwar aus einer historisch und kultu rell ziemlich entfernten Quelle Der heutige Budogeist hat sich wohl aus den asiatischen Phi losophien entwickelt insbesondere dem Zen Buddhismus dem Konfuzianismus und dem darauf beruhenden Bushido Kodex der Samurai Deswegen hat sich dieser besondere Geist auch bis heu te gerade in der Kampfkunst erhalten natürlich angepasst an die moderne Zeit eine Symbiose aus für unsere Kultur fremdartiger fernöstlicher Mentalität und historischen Riten sowie Einstellungen die selbst in den Herkunftsländern des Budo bestenfalls als Tradition oder mancherorts leider als Relikt altertümlichen Denkens betrachtet werden Das bringt Schwierigkeiten mit sich Wir sind Europäer des 21 Jahrhunderts und haben unsere eige ne Kultur und Mentalität Es ist schlicht albern japanischer sein zu wollen als die Japaner dennoch ist es wichtig Aspekte der asi atischen Kultur zu verstehen und sich punktuell zu eigen zu ma chen ohne zu vergessen dass das Mittelalter mit seinen Samurai Epochen längst Geschichte ist So ist es und es wäre auch schwierig einem wie auch immer gearteten Samurai Kodex zu folgen Für den Fürsten in die Schlacht ziehen Clan Fehden austragen und ehrenvoll sterben wenn sich die Gelegenheit bietet Klingt alles weder nach Spaß auf der Matte noch nach brauchba ren modernen Werten so divers diese auch sein mögen Es ist also klar dass wir uns vom ursprünglichen Kontext letztlich nur behutsam inspi rieren lassen und keine fremde Kultur nachspielen können Doch es ist auch gerade das Fremde und Unverständliche daran das uns fasziniert denn Symbole wirken vor allem dann besonders stark wenn sie auf etwas Geheimnisvolles verweisen das wir nicht gänzlich begreifen Dann entsteht viel Raum für Projektionen unserer eigenen Sehnsüchte nach einer idealen Welt nach Ordnung und Würde und ho hen Werten an denen wir uns orientieren können Diese Symbole die als Fragmente einer fremden Welt über die Kampfkünste transportiert In unserer Mitgliederdiskussion zur Dan Verleihung siehe BI 76 2022 haben einige von Euch mit Budogeist argumentiert Dieses Thema so schien uns sollte doch eigentlich noch mehr Budoka persönlich betreffen als die gelegentlichen Verleihun gen von Meistergraden perfekt für die nächste Diskussionsrunde Wir wollten vor allem wissen ob dieser vielbeschworene Budogeist überhaupt ein Ideal ist das wir brauchen oder ob er vielmehr nur dann herhält wenn er sich für eigene Zwecke einspannen lässt Also fragten wir und wir hätten uns viele und kontroverse Antworten gewünscht Bekommen haben wir lei der nur drei Zuschriften diese waren aber so umfangreich und das Thema weiterhin so interessant dass wir es nun trotzdem diskutieren in kleiner Runde mit Thomas Beyer Markus Eßler und Axel Schultz Gora Budogeist Macht das Sinn oder kann das weg 24 t h e o r i e p r a x i s

Vorschau BI 77 epaper Seite 24
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